Tarsaltunnelsyndrom Orthopäde Orthopädie Köln Kalk Lindenthal
Inhaltsverzeichnis
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Einleitung: Was ist das Tarsaltunnelsyndrom
Schmerzen am Innenknöchel ohne frische Verletzung sind in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis eine nicht so häufig auftretende Symptomatik. Eine der wichtigsten Diagnosen
hierbei ist das Tarsaltunnelsyndrom, ein Einklemmungsyndrom eines peripheren Nerven am Innenknöchel. Es besteht neben einem lokalen Schmerz auch häufig eine Ausstrahlung nach oben in die Wade uund nach unten in die Ferse und den Fuß. Der Schmerzcharakter ist teilweise stechend (nozizeptiver Schmerz), teilweise aber auch brennend (neuropathischer Schmerz). Daneben können auch eine gestörte Sensibilität, eine verminderte Schweißsekretion und sogar Muskelschwächen auftreten.
Anatomie
Die sensible und motorische Versorgung des Unterschenkels und des Fußes erfolgen über den Ischiasnerv (Nervus ischiadicus), welcher sich in Höhe des Beckens oder spätestens in Höhe des Oberschenkels in seine beiden Hauptäste Wadenbeinnerv (Nervus peronaeus communis) und Schienbeinnerv (Nervus tibialis) aufteilt. Der Wadenbeinnerv verläuft auf der Außenseite und teilt sich dort weiter auf, der Schienbeinnerv läuft entlang der Kniekehle in die Wade und dann später zum Innenknöchel. Hier verläuft er an der Hinterkante des Innenknöchels und tritt in den sogenannten Tarsaltunnel ein, eine knöcherne Rinne am Innenknöchel.
Diese Rinne wird auf der Innenseite von oben nach unten vom Innenknöchelanteil des Schienbeines, vom Sprungbein und vom Fersenbein gebildet und nach außen von einer festeren Bindegewebsgrenzschicht, dem Ligamentum laciniatum bedeckt. In dieser Rinne verlaufen neben diesem Nerv drei Sehnen der langen Großzehen- und Zehenbeuger und der hintere Schienbeinmuskel (Mm. flexor hallucis longus, flexor digitorum longus, tibialis posterior), die hintere Schienbeinarterie (A. tibialis posterior) und die hintere Schienbeinvene (V. tibialis posterior). Vom Schienbeinnerv geht im Tarsaltunnel noch ein Hauptnerv für das Fersenbein ab, dann teilt sich der Nerv im Tarsaltunnel in einen äußeren und einen inneren Fußast auf (Rr. plantaris lateralis / medialis) mit motorischen und sensiblen Anteilen.
Symptome und Verlauf des Tarsaltunnelsyndrom
Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen, zum Teil mit brennendem Charakter (neuropathischer Schmerz), in Höhe des Innenknöchels mit Ausstrahlung in den Fuß und auch in die Wade. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen löst ein Klopfen im Nervenverlauf einen elektrisierenden Schmerz aus (Hoffmann-Tinel-Zeichen), das Anheben des Fußes insgesamt oder auch nur des Fußaußenrandes können die Beschwerden verstärken. In milderen Formen kann es nur zu einer Sensibilitätsstörung kommen, häufig kommen aber auch Schmerzen hinzu. Später können auch Muskelabschwächungen (motorische Störungen) oder sogenannte trophische Störungen wie eine verminderte Schweißsekretion auftreten.
Ursachen des Tarsaltunnelsyndrom
Ausgelöst wird das Tarsaltunnelsyndrom meist durch mechanische Kompressionen (Einklemmungserscheinungen) oder auch funktionelle Überlastungen sowie durch Nervenerkrankungen, entzündliche oder selten auch tumoröse Veränderungen. Konkrete Beispiele sind:
knöcherne Veränderungen nach Brüchen am Innenknöchel, Sprungbein und Fersenbein
Bandverletzungen am Innenband und inneren Kapselbandapparat
Verletzungen der im Tarsaltunnel befindlichen Strukturen
funktionelle Überlastungen zum Beispiel beim Joggen (sogenannter Joggerfuß)
funktionelle Überlastungen zum Beispiel bei starkem Knickfuß
entzündliche Reaktionen bei rheumatoider Arthritis
entzündliche Reaktionen des Kapselbandapparates bei Sprunggelenksarthrosen
Raumforderungen durch zusätzliche Gefäßbündel, Ganglien oder Tumoren der Nerven
Raumforderungen durch Verdickung der angrenzenden Muskeln und Sehnen
entzündliche Reaktionen der Nerven bei Diabetes mellitus, Gicht, Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose), Fettstoffwechselstörungen und anderen Ursachen
als Folge einer Komplikation bei einer medizinischen Behandlung, vor allem nach operativen Eingriffen
postoperative Folgen durch Schwellungen, Narben etc.
anlagebedingt (etwa 20 Prozent der Fälle).
Diagnose des Tarsaltunnelsyndrom
Neben der Erhebung der Anamnese und der klinischen Untersuchung sind Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes und eventuell auch eine Ultraschalluntersuchung sowie MRT-Aufnahmen sinnvoll, um mechanische Veränderungen der Knochen bzw. Veränderungen im Bereich der Weichteile zu erfassen. In unklaren Fällen kann auch eine elektrophysiologische Untersuchung zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit weitere Klarheit schaffen. Oft ist auch eine diagnostische Injektion eines Lokalanästhetikums hilfreich: bringt diese für eine gewisse Zeit eine Beschwerdelinderung, ist zumindest der Ort der Schädigung meist gut abgegrenzt.
Differenzialdiagnosen
Das Leitsymptom der Missempfindungen (neuropathischer Schmerz) und/oder Sensibilitätsstörungen, stechende (nozizeptive) Schmerzen und motorische Schwächen finden sich auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel (diabetischen) Polyneuropathien, Durchblutungsstörungensowie höher gelegenen Schädigungen der Nervenbahn zum Beispiel weiter oben am Unterschenkel, im Lenden- und Kreuzbereich oder in Höhe der Wirbelsäule bei Bandscheibenschäden (Bandscheibenvorfall), Lumbale Spinalkanalstenose, aber auch bei einem Fersensporn (Plantarsehnenfasciitis), bei einer Achillodynie (Schmerzsyndrom der Achillessehne) sowie einer weiteren Anzahl von Erkrankungen. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose ist eine Variante des Tarsaltunnelsyndroms, das Morton-Neurom, ein Engpasssyndrom der dort verlaufenden Nerven weiter unten am Fuß.
Therapie des Tarsaltunnelsyndrom
Konservative Therapie des Tarsaltunnelsyndrom
Soweit möglich und bekannt, sollte man die Ursache(n) behandeln. Mögliche konservative Therapieformen sind Sprunggelenksbandagen, Einlagen, Injektionen mit Lokalanästhetika (gegebenenfalls mit Corticosteroidzusatz), entzündungshemmende und schmerzhemmende Maßnahmen der physikalischen Therapie (Elektrotherapie, Ultraschall, pulsierende Magnetfeldtherapie und Varianten, Kälte- oder Wärmeanwendungen) oder Akupunktur.
Experimentell kann nach Fehlschlag aller anderen Verfahren auch eine Injektion mit Botulinumtoxin zur Behandlung der neuropathischen Schmerzkomponente erfolgen. Ruhigstellungen sind meist nur bei akuter starker Schmerzhaftigkeit und nur kurzfristig sinnvoll.
Operative Therapie des Tarsaltunnelsyndrom
Bleiben konservative Maßnahmen erfolglos, kann eine operative Dekompression des Nervs, gegebenenfalls in Kombination mit operativer Beseitigung weiterer Ursachen angebracht sein. Dies sollte allerdings nur dann erfolgen, wenn eine klare mechanische Ursache nachgewiesen werden konnte. Früher wurden diese Operationen in der Regel offen durchgeführt, mittlerweile wird wegen der potenziell geringeren Schädigung die endoskopische Variante in der Regel bevorzugt.
Bei operativen Verfahren besteht jedoch auch die Gefahr, dass die Symptomatik hinterher nicht besser oder sogar schlechter wird, zum Beispiel durch postoperative Entzündungen, Nervenverletzungen oder überschießende Narbenbildung.
Die genannten Verfahren werden vor allem auf Basis des orthopädischen Erfahrungsschatzes eingesetzt. Hochwertige wissenschaftliche beweisende Studien hierfür sind nicht hinreichend bekannt. Die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse sind sowohl für konservative als auch für operative Maßnahmen eher ernüchternd.
Literatur und weiterführende Links
Antoniadis, G. / Scheglmann, K.: Hinteres Tarsaltunnelsyndrom. Dtsch Arztebl 2008; 105(45): 776–81. https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=62258 (Abruf 28.12.2017).
Assmus, H. / Antoniadis, G. (Hrsg): Nervenkompressionssyndrome. Berlin: Springer, 3. Auflage, 2014.
Kursscript IGOST-Kurse „Botulinumtoxin in O & U“
Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie: Ligamentum laciniatum. http://www.lexikon-orthopaedie.com/pdx.pl?dv=0&id=01713 (Abruf 28.12.2017).
Überarbeitete Version eines Artikels, erschienen auf orthinform
Autor docent Dr. Stephan Grüner Köln www.dr-gruener.de
Um Beachtung der allgemeinen Hinweise wird gebeten.
22.10.2024
Bildquellen
Titelbild: Urheber ID 46173, Quelle Pixabay
Bild 1: Urheber Dr. S. Grüner Köln, keine Nutzungsrechte
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