Grad der Behinderung (GdB) im Schwerbehindertenrecht

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Einleitung

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Leidet ein Mensch unter dauerhaften körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen durch eine oder mehrere Erkrankungen, kann er nach dem Schwerbehindertenrecht den Grad der Behinderung feststellen lassen und erhält anschließend unter Umständen einen Schwerbehindertenausweis.
Im Schwerbehindertenrecht (§ 152 SGB IX (ehemalig § 69)) wird ein sogenannter Grad der Behinderung (GdB) für körperliche, geistige oder seelische Funktionsstörungen erfasst, welche mindestens schon ein halbes Jahr bestehen beziehungsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit über mindestens ein halbes Jahr bestehen werden. Durch Überarbeitungen hat sich die Paragrfennummer geändert, früher lautete die Nummer § 69. So kann zum Beispiel ein Knochenbruch als solches zunächst nicht anerkannt werden, da hier in der Regel eine Heilung erfolgt. Berücksichtigungsfähig ist dies erst zum Beispiel bei resultierenden Einsteifungen ab einem halben Jahr nach Entstehung. In manchen Fällen kann auch vor Ablauf des halben Jahres eine Behinderung anerkannt werden, wenn es sich voraussichtlich um einen Dauerzustand handelt, so zum Beispiel bei einer Amputation.
Neben dem dauerhaften Bestehen der Funktionsstörungen müssen diese außerdem deutlich vom alterstypischen Gesundheitszustand abweichen, um als Behinderung anerkannt werden zu können. Bei Säuglingen und Kindern wird hier mit gleichaltrigen Gesunden verglichen, da diese naturgemäß (noch) nicht über die Funktionsfähigkeit eines Erwachsenen verfügen. Bei Erwachsenen erfolgt der Vergleich auch im Hinblick auf das Lebensalter. Die naturgemäß zunehmende Einschränkung mancher Funktionsfähigkeiten im Alter, wie zum Beispiel durch einen altersbedingten Gelenkverschleiß, bedingt nicht automatisch die Anerkennung als Behinderung.
Der Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht beziffert die Schwere einer Behinderung und wird in Zehnerschritten zwischen 0 und 100 angegeben. Die oftmals anzutreffende Nennung des GdB in Prozent ist hier nicht richtig. Die Anerkennung einer Behinderung erfolgt erst ab einem GdB von mindestens 20, die Anerkennung als Schwerbehinderter erfolgt ab einem GdB von 50.

Warum sollte man den GdB feststellen lassen?

Verbunden mit dem GdB nach dem Schwerbehindertenrecht sind unter anderem Steuererleichterungen, früherer abschlagsfreier Renteneintritt, besonderer Kündigungsschutz, zusätzlicher Jahresurlaub von fünf Arbeitstagen sowie weitere betriebliche Besonderheiten: Unternehmen müssen ab einer gewissen Personalanzahl (20 Arbeitsplätze) eine Mindestanzahl von Schwerbehinderten beschäftigen (mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze) oder Abgaben zahlen.

In größeren Betrieben kann man sich auch schon ab einem Gesamt-GdB von mindestens 30 einem Schwerbehinderten gleichstellen lassen, dies bedeutet im Vergleich zum anerkannten Schwerbehinderten eingeschränkte Rechte und Pflichten.

Diese Besonderheiten für Schwerbehinderte unterliegen jedoch mitunter auch rechtlichen Änderungen oder sind für unterschiedliche Geburtsjahrgänge unterschiedlich geregelt. Zuständig sind hier die Integrationsämter und die Bundesagentur für Arbeit.

Ablauf der Beantragung

Zunächst stellt man einen kostenfreien Antrag nach § 152 Schwerbehindertenrecht bei der zuständigen Behörde der Stadt oder der Gemeinde (meist Versorgungsamt genannt). In diesem Antrag sollen die eigenen Erkrankungen und deren funktionelle Auswirkungen beschrieben und möglichst auch schon mit ärztlichen Berichten ergänzt werden.

Außerdem gibt man hier die Liste der Ärzte an, von welchen man in den letzten Jahren behandelt wurde oder auch aktuell behandelt wird. Diese werden dann von der Behörde angeschrieben und um einen Formularbericht gebeten. Danach erfolgt die Bewertung, in der Regel nach Aktenlage, und anschließend ergeht der Bescheid.

Falls man mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist, kann man Widerspruch einlegen. Dieser wird dann geprüft, in Einzelfällen erfolgt auch eine gutachterliche Untersuchung durch beauftragte Ärzte (Gutachter) der zuständigen Behörde.

Ist das Ergebnis nachfolgend immer noch nicht den eigenen Wünschen entsprechend, verbleibt die Klage vor dem zuständigen Sozialgericht, welches dann ebenfalls unabhängige Gutachter beauftragt.

Verläuft ein Gutachten in dem Ergebnis weiter nicht so, wie man es sich wünscht, besteht noch die Möglichkeit, auf eigene Kosten ein weiteres Gutachten einzuholen (§ 109), in manchen Fällen werden diese Kosten auch später vom Gericht erstattet.

Prinzipiell ist ein Verfahren vor dem Sozialgericht bis auf eine Grundgebühr kostenfrei, es besteht auch keine Anwaltspflicht. Bei nachgewiesener Bedürftigkeit kann man auch von der Grundgebühr befreit werden und sogar von den Anwaltskosten, falls man einen Anwalt hinzuzieht.

Das Verfahren endet dann entweder mit einem Vergleich (wenn man sich einigt) oder einem Gerichtsentscheid, gegen welchen man dann noch Revision beim zuständigen Landessozialgericht einlegen kann.

Ist ein Patient von mehreren Erkrankungen aus verschiedenen medizinischen Gebieten betroffen, so werden meist auch mehrere Gutachter aus verschiedenen Fachgebieten eingesetzt. Dabei fungiert ein Gutachter als Hauptgutachter, welcher dann auch neben seinem fachspezifischen Gutachten auch die Gesamtbewertung verfasst.

Hat sich ein Leiden verschlimmert oder sind neue Leiden hinzugetreten, so kann man auch einen sogenannten Verschlimmerungsantrag stellen, der nach den gleichen Prinzipien abläuft.

Beurteilung der Behinderung

Prinzipiell erfolgt die Beurteilung nicht ausschließlich anhand der Diagnose einer bestimmten Erkrankung, sondern anhand der Funktionsstörungen, unter denen ein Patient leidet: Ursache hierfür:  gleiche Erkrankungen können sehr unterschiedliche Ausprägung und Folgen haben.

Eine rechtsverbindliche Liste für die Bewertung von Behinderungen ist die sogenannte Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), in welcher die verschiedenen Erkrankungen und deren Bewertungen aufgeführt sind.

Hierbei werden für einzelne Erkrankungen mit bestimmten Ausprägungen bestimmte Bewertungszahlen zugeordnet. So bedingt zum Beispiel eine Beinlängendifferenz von bis zu 2,5 cm keinen Grad der Behinderung (GdB), von 2,5 bis 4 cm einen GdB von 10, von 4 bis 6 cm einen GdB von 20 und bei über 6 cm einen GdB von mindestens 30. Wie in diesem Beispiel erkennbar ist, erfolgen teilweise präzise Zuordnungen, teilweise auch mit Unter- und Obergrenzen. Prinzipiell erfolgt die Bewertung in einem dreistufigen System.

In einem ersten Schritt werden die einzelnen Erkrankungen erfasst und bewertet.

Im zweiten Schritt werden Bewertungen für die einzelnen Funktionssysteme durchgeführt, im Bereich Orthopädie sind das im Wesentlichen die Funktionssysteme Wirbelsäule, obere Extremitäten und untere Extremitäten.

Hierbei wird auch geschaut, ob sich einzelne Behinderungen gegenseitig aufheben beziehungsweise abschwächen (was selten der Fall ist) oder gegenseitig verstärken. So stellt zum Beispiel die Versorgung mit einem künstlichen Gelenk an einer Hüfte und einem Knie am gleichen Bein eine Verstärkung der Behinderung dar. Ein künstliches Hüftgelenk und zusätzlich ein Halswirbelsäulenschaden sind voneinander unabhängig und verstärken sich gegenseitig nicht.

Die einzelnen Werte für die einzelnen Erkrankungen werden nicht einfach addiert, sondern zueinander in Relation gesetzt, so können zum Beispiel zwei Einzel-GdB von jeweils 20 einen Gesamt-GdB von 20 (keine Überschneidung), einen Gesamt-GdB von 30 (Überschneidung) oder selten sogar ein Gesamt-GdB von 40 (sehr starke Überschneidung) bedingen.

Im dritten und letzten Schritt wird dann eine Gesamtbewertung durchgeführt. Sind nur Störungen in einem Fachgebiet vorhanden, so erfolgt dann hieraus die Gesamtbewertung. Bei Störungen aus verschiedenen Fachgebieten (zum Beispiel Orthopädie und Innere Medizin) muss dann der Hauptgutachter eine Gesamtbewertung durchführen. Hier kann auch noch eine höhere Bewertung bei wechselseitigen Überschneidungen verschiedener Fachgebiete erfolgen: so wird zum Beispiel eine Nervenlähmung durch eine orthopädische Erkrankung bei einer zusätzlichen neurologischen Erkrankung der Nerven, zum Beispiel im Rahmen einer Zuckerkrankheit, im Zusammenspiel höher bewertet.

Anerkennung der Schwerbehinderung

Ein GdB von zehn oder weniger wird im Schwerbehindertenrecht bei der Gesamtbewertung nicht berücksichtigt. Ein GdB von 20 bis 40 gilt als Behinderung, hier wird dem Antragsteller ein rechtsfähiger Bescheid von der Behörde ausgestellt. Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor, neben einem rechtsfähigen Bescheid erhält man in diesem Fall auch einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis. Maximal ist ein Gesamt-GdB von 100 möglich.

Normalerweise gilt ein Schwerbehindertenausweis zunächst für fünf Jahre (bei Tumorerkrankungen manchmal abweichend) und wird dann nach Ablauf der Zeit erneut überprüft. Nach mehrfachen Verlängerungen oder auch bei klar absehbaren Dauerschäden erfolgt oft auch die Feststellung auf Dauer. Der GdB ist nicht zu vergleichen mit Bewertungen aus anderen Systemen, wie zum Beispiel Bewertungen im Rentensystem oder in der Unfallversicherung: Selbst ein GdB von 100 bedeutet nicht automatisch eine aufgehobene Arbeitsfähigkeit. So kann ein Stukkateur mit steifen Schultern erwerbsunfähig sein, bei einem GdB nach dem Schwerbehindertenrecht von 20. Umgekehrt kann ein Schwerbehinderten mit einem hohen GdB im Rollstuhl vollzeitig im einem Callcenter arbeiten.

Merkzeichen

Neben dem Grad der Behinderung werden in manchen Fällen sogenannte Merkzeichen festgestellt. Hierbei werden besondere weitere Störungen dargelegt, aus welchen mitunter auch besondere Rechte resultieren, wie zum Beispiel das Recht zur Benutzung eines Behindertenparkplatzes (zum Beispiel für außergewöhnlich Gehbehinderte) oder das kostenlose Fahren mit dem öffentlichen Personennahverkehr (für Hilflose und Gehörlose).

Dabei steht das Merkzeichen „G“ für eine eingeschränkte Gehfunktion, Voraussetzung hierfür ist beispielsweise mindestens ein GdB von 50 für Störungen der Wirbelsäule und/oder der Beine auf orthopädischem Gebiet. Die nächste Stufe der Gehbehinderung ist die außergewöhnliche Gehbehinderung „aG“, welche angenommen wird, wenn sich Betroffene dauerhaft nur mit fremder Hilfe oder mit sehr großer Anstrengung außerhalb eines Fahrzeuges bewegen können. Beispiele hierfür sind Querschnittgelähmte, Menschen mit beidseitigen Amputationen am Unterschenkel oder Oberschenkel oder Menschen mit sehr schweren Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion. Weitere Merkzeichen sind „B“ für die Notwendigkeit ständiger Begleitung, „H“ für Hilflosigkeit, „RF“ für eine Befreiung von Rundfunk- und Fernsehgebühren, „Bl“ für (fast) vollständige Blindheit und „Gl“ für (fast) vollständige Taubheit.

Literatur und weiterführende Links

Schiltenwolf, M. / Hollo, D. (Hrsg.): Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2013.

Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes,https://www.gesetze-im-internet.de/versmedv/(Abgerufen am: 30.11.2017).

Überarbeitete Version eines Artikels, erschienen auf orthinform

Autor docent Dr. Stephan Grüner Köln www.dr-gruener.de

Um Beachtung der allgemeinen Hinweise wird gebeten.

22.10.2024

Bildquellen
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